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Brauerei

Interview mit Dr. Schrädler im Freisinger Tagblatt: Rückblick 2023

12.01.2024

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Autor: Anne Stühler

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6 Min Lesezeit

Krisenherde weltweit, Fachkräftemangel vor der Haustüre – und trotzdem lässt sich die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan nicht unterkriegen. Im Gegenteil: Direktor Prof. Dr. Josef Schrädler hat viel Positives zu berichten – und blickt im Gespräch auch auf das kommende Jahr. Die Herausforderungen werden nämlich nicht weniger. 

FS Tagblatt: Herr Dr. Schrädler, gefühlt gibt es seit einigen Jahren nur noch Krisen: Pandemie, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Krieg in Israel – das sind turbulente Zeiten, auch für die Brauerei, oder? 

Schrädler: Ja, definitiv. Erst brach die Gastronomie weg, dann stoppten wir das Geschäft mit Russland, ehe uns die erhöhten Rohstoff- und Energiepreise zu schaffen machten. Das war keine einfache Zeit, die sich bis heute übrigens nicht auf das Niveau von zuvor normalisiert hat. Im Oktober kam dann auch der Angriff auf Israel hinzu, was uns nicht nur persönlich aufgrund einer jahrzehntelangen Partnerschaft sehr getroffen hat. Israel ist zudem in unseren Top-5-Exportländern, auch hier mussten wir massive Einbußen hinnehmen. Kurz vor dem Angriff waren wir übrigens noch in Israel…

FS Tagblatt: Erzählen Sie!

Schrädler: Da hatten wir richtig Glück. Wir durften mit unseren israelischen Freunden noch Oktoberfest feiern. Von 2. bis 5. Oktober waren wir in Tel Aviv, trafen Geschäftspartner, ließen alte Freundschaften wieder aufleben – und durften gemeinsam mit dem deutschen Botschafter Steffen Seibert auf unserem Oktoberfest vor Ort anzapfen. Noch dazu haben wir 20 Jahre Weihenstephan in Israel gefeiert. Niemals hätten wir gedacht, dass nur wenige Stunden nach unserer Abreise die ersten Bomben fallen würden. Das verschafft einem schon erst einmal Gänsehaut. Wir haben mit dem vorletzten Lufthansa-Flug das Land verlassen, ehe der Flugbetrieb eingestellt wurde. 

FS Tagblatt: .. und das hat dem Geschäft vor Ort natürlich erst einmal geschadet. 

Schrädler: Auf alle Fälle. Nach Russland, wo das Geschäft ja komplett eingestellt wurde, ist auch der Absatz in Israel zu einem großen Prozentsatz eingebrochen. Es wird zwar noch bestellt, allerdings in deutlich geringeren Mengen. So sind binnen zwei Jahren, natürlich immer mit der humanitären Katastrophe im Hinterkopf, für uns auch zwei absolute Top-Länder fast zur Gänze weggefallen. 

FS Tagblatt: Wie kann man das als Brauerei auffangen? 

Schrädler: Durch langjährige Geschäftsbeziehungen, Vertrauen in die Partner und nicht zuletzt durch großartige Importeure. Nicht nur andere Länder haben das Minus aufgefangen, auch national konnten wir noch einmal zulegen. Unser Team hat sowohl im Export als auch hierzulande richtig Gas gegeben. Als Beispiel: Wir haben in diesem Jahr einen Verkaufsförderer eingestellt, der den Handel in der Region unterstützt. Der Effekt daraus ist mit einem deutlichen Plus im Kirchturmgebiet spürbar. Das sind Maßnahmen, die sich direkt auszahlen. Aber klar: Spurlos gehen diese Umstände an einem Unternehmen nicht vorbei. Wir mussten im vergangenen Jahr wieder Preisanpassungen vornehmen, die natürlich nicht immer jedem schmecken. 

Aber hier kommen eben das Vertrauen und die langjährigen Beziehungen ins Spiel: Unsere Partner wissen, dass das bei uns nicht einfach so passiert. Da stecken ausgiebige Überlegungen und viele, viele Gespräche dahinter, ehe die Preisanpassungen durchgesetzt werden. National wird’s für die Branche aber sicherlich wieder Herausforderungen geben: Dass für die Gastronomie die Mehrwertsteuer wieder auf 19 statt sieben Prozent steigen wird, wird einige Betriebe vor Probleme stellen. Die Preise müssen ja auch an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden – und zusätzlich zu gestiegenen Pachten und Energiekosten wird die Belastung irgendwann zu viel. Entsprechend bleibt die Kundschaft möglicherweise aus, Betriebe müssen zurückschrauben oder schließen – für uns bedeutet das dann weniger Bierabsatz. Das ist, zumindest national, kein schöner Ausblick. Im Endeffekt werden die Gäste entscheiden, ob sie die Erhöhungen mittragen und weiter die Wirtschaften besuchen – oder eben nicht.

FS Tagblatt: Wie steht Weihenstephan denn aktuell im nationalen Vergleich da? 

Schrädler: Wir können im Moment absolut zufrieden sein. Während die Branche ein Minus von teilweise zweistelligen Prozentzahlen zu verzeichnen hat, ging es bei uns sogar bergauf. Wir laufen aktuell dem Branchentrend entgegen. Unser Hefeweißbier bewegt sich stabil auf hohem Niveau und hatte kaum Einbußen zu verzeichnen, während der Weißbiermarkt an sich aber bergab läuft. Die untergärigen Biere legen hingegen richtig zu. 

FS Tagblatt: Thema untergärige Bierspezialitäten: Die sind auch der Grund, warum das nächste große Bauvorhaben am Weihenstephaner Berg, der Kombikeller, gerade umgesetzt wird, oder?

Schrädler: Der Hauptgrund ja, da spielt aber auch das allgemeine Wachstum der Brauerei eine Rolle. Es entstehen 24 neue Tanks sowie ein Hefesammeltank. Der erste Meilenstein wurde im Herbst abgeschlossen – das war die Einbringung von drei kleinen und sechs großen Drucktanks, zwei große Gär- und Lagertanks und des Hefesammeltanks. Das war jetzt aber auch notwendig – gerade zu den Stoßzeiten wie zu Beginn des Sommers kamen wir immer wieder in Kapazitätsengpässe. Durch unser Logistikzentrum konnten wir zumindest ein paar Mengen vorhalten, allerdings wurden die Bestellungen immer mehr. Kürzere Lagerzeiten, das heißt, weniger Zeit für das Bier zu reifen, waren für uns keine Option, da sonst die Qualität der Biere darunter leiden würde. Als einzige Lösung kam dann ein Ausbau in Frage – und der gibt uns, sobald alles verrohrt und angeschlossen ist, ein viel höheres Maß an Flexibilität. Außerdem werden die Wege kürzer, da wir die Fassabfüllung direkt nebenan haben, die neue Schaltwarte, die Entalkoholisierung und die Filtration nur wenige Schritte entfernt sind. Wir werden insgesamt viel effizienter in unseren Arbeitsprozessen – das ist ein großer Vorteil für die nächsten Jahre. 

FS Tagblatt: Die Brauerei wächst also im wahrsten Sinne des Wortes mit ihren Aufgaben. 

Schrädler: Das muss sie auch – wenn es so weitergeht, was wir natürlich hoffen, werden wir auch laufend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen. Wir stehen aktuell schon bei über 180 Menschen, die hier oder im Außendienst tätig sind. Vor wenigen Jahren waren wir noch bei 150. Es rührt sich was im Hause Weihenstephan (lacht). 

FS Tagblatt: Wie gehen Sie dann mit dem Thema Fachkräftemangel um? 

Schrädler: Wir befinden uns da einerseits in einer privilegierten Situation, durch die Nähe zur Technischen Universität und dem Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie. Die Studentinnen und Studenten bekommen bei uns ja einen Einblick in das Brauereiwesen, erst kürzlich haben wir einen ehemaligen Studenten für die Produktionsplanung eingestellt. Das ist für uns natürlich ein Riesenvorteil, hier nur über die Straße gehen zu müssen. Andererseits ist uns aber bewusst, dass sich der Arbeitsmarkt verändert hat. In vielen Situationen ist es nicht mehr das Unternehmen, das den Ton vorgibt, sondern die Bewerberinnen und Bewerber. Aus diesem Grund haben wir uns überlegt, wie wir diese Thematik professionell und attraktiv angehen können. Zusammen mit der Firma Kaspercom haben wir dafür eine Arbeitgebermarke entwickelt (www.wir-sind-bier.de), mit der wir junge und auch etablierte Talente ansprechen möchten. Es ist uns wichtig zu zeigen, dass wir als Brauerei Weihenstephan ein attraktiver und verlässlicher Arbeitgeber sind – nicht nur, wenn die sprichwörtliche Sonne scheint, sondern wenn die Zeiten auch mal schlechter sind. Ich denke, das ist uns wunderbar gelungen. 

FS Tagblatt: Werfen wir einen Blick in das Jahr 2024 – Sie haben bereits die Aufhebung der Mehrwertsteuer-Reduzierung für die Gastronomie angesprochen. Was erwarten Sie vom kommenden Jahr? 

Schrädler: In der Region wird das 1300-jährige Jubiläum der Ankunft Korbinians in Freising gefeiert. Dazu durften wir ein Jubiläumsbier beitragen, ein naturtrübes Helles, das den historischen Charakter dieser Feierlichkeiten perfekt betont. Seit Ende November ist es erhältlich und jeder, der’s probiert hat, kann’s bestätigen: Es schmeckt (lacht). 

Aber natürlich: Wir blicken schon gespannt auf die Branche, vor allem auf die Gastronomie, die ja einen großen Teil unseres Absatzes ausmacht. Wie wird sich die Mehrwertsteuer-Thematik äußern, wie reagieren die Gäste? Das ist alles noch nicht wirklich abzusehen, entsprechend flexibel müssen wir bleiben.

FS Tagblatt: Im Dezember haben Sie zudem noch ein weiteres, neues Bier angekündigt…

Schrädler: Sie sprechen sicherlich vom Braupakt (lacht). Ja, nach fünf Jahren gibt es endlich eine Neuauflage des Braupakts. Damals war es ein hopfiges Weißbier, zusammen mit den Craftbeer-Pionieren von Sierra Nevada aus den USA. Dieses Mal sind wir einen anderen Weg gegangen: Mit der belgischen Brauerei St. Bernardus bringen wir Bayern und Belgien zusammen. Das Bier wird ein Blonde Ale mit rund sechs Prozent Alkohol. Bayerischer Hopfen trifft auf belgischen Hopfen, der Heilige Bernardus trifft auf den Heiligen Korbinian. Dieses Thema passt auch perfekt ins Korbiniansjahr. Wir freuen uns riesig darauf, wenn alle das Bier probieren können. Ein bisschen müssen wir uns aber noch gedulden: Spätestens Anfang April wird es so weit sein. 

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